Die Widerspruchslösung in Sachen Organspende wurde abgelehnt: Enttäuschung macht sich sowohl bei Betroffenen als auch am Klinikum Freising breit: „Der jetzige Zustand ist doch katastrophal.“
Freising – „Ich hatte so gehofft, dass die Widerspruchsregelung kommt“, sagt Carolin Aumann. „Der jetzige Zustand ist doch katastrophal.“ Tatsächlich ist Deutschland europaweit Schlusslicht beim Thema Organspende – und nach der gestrigen Entscheidung im Bundestag werde sich daran wohl nichts ändern, befürchtet Carolin Aumann. Sie ist die Mama von Franka (2), die vor vier Monaten ein Spenderherz bekommen hat.
Eineinhalb Jahre lang lebte das schwerkranke Mädchen im Klinikum Großhadern. Ein Schlauch verband sie mit einem blauen Kasten, ihrem künstlichen Herzen. Es w
ar eine Zeit des Leidens, des Bangens. Ende September kam die Nachricht: Es gibt ein Spenderherz! Die Transplantation war erfolgreich. Für Franka begann ein zweites Leben. „Es gibt absolut nichts, was vergleichbar ist“, sagt Mama Carolin. „Es ist ein Geschenk, das man mit keinem Geld der Welt kaufen kann: jemandem ein neues Leben schenken.“
Die Freisingerin weiß, dass ihre Tochter trotz der langen Wartezeit Glück hatte: „Wir kennen inzwischen viele Leute, die auf ein Spenderorgan warten, darunter auch viele Kinder“. Dass weiterhin Menschen sterben müssten, weil es zu wenig verfügbare Organe gebe, sei furchtbar.
Ein neues Gesetz, die sogenannte Widerspruchslösung, hätte die Situation vermutlich deutlich entschärft: Dann wäre jeder Bürger automatisch Organspender geworden, solange er nicht der Entnahme seiner Organe nach der Diagnose Hirntod widersprochen hätte.
Dr. Matthias Pints ist mit dem Thema fast täglich konfrontiert: Er ist der Transplantationsbeauftragte des Klinikums Freising. Zwar werden dort keine Organverpflanzungen durchgeführt wie rechts der Isar, und die meisten Menschen, die im Klinikum versterben, sind alt oder herzkrank. Daher sieht der Mediziner, der bereits in verschiedenen Transplantationskliniken gearbeitet hat, eine Hauptaufgabe darin, aufzuklären. „Das Thema Organspende hat sehr viel mit Vertrauen zu tun“, sagt Dr. Pints, „und man kann Ängste auflösen, indem man aufklärt“. Etwa darüber, dass die Hirntod-Diagnostik gesetzlich und medizinisch sehr klar geregelt und absolut unstrittig sei – und die Entnahme eines Organs „in Würde stattfindet“.
Das Scheitern der Widerspruchsregelung bedauert Dr. Pints „als Mediziner“. Es gebe eben viel zu wenig Spenderorgane, und dass die Widerspruchsregelung funktioniere, zeigten die positiven Erfahrungen in zahlreichen anderen Ländern. Außerdem hätte mit der Regelung niemand die Entscheidung über den eigenen Körper abgeben müssen, da man sich ja bewusst gegen Organspende hätte aussprechen können.
Andererseits könne er „als Mensch“ die Entscheidung der Abgeordneten „absolut nachvollziehen“. Das Thema Organspende sei schließlich h
ochemotional. Positiv sei in jedem Fall, dass das Thema jetzt in aller Munde sei, die Menschen darüber reflektierten und nun auch von staatlicher Seite verstärkt damit konfrontiert würden. Jetzt komme es darauf an, den Beschluss – die „erweiterte Zustimmungslösung“, die auch einen Eintrag in ein online-Register vorsieht (siehe Berichte im Hauptteil) – mit Leben zu erfüllen. Dr. Pints befürchtet allerdings, „dass sich jetzt nicht allzu viel ändern und Info-Blätter wie bisher zu oft im Papiermüll landen könnten“.
Ein Spenderorgan fällt am Klinikum Freising bisher sehr selten an, etwa einmal pro Jahr. Die Zahl der Patienten, bei denen eine Organentnahme denkbar erscheine, liege deutlich höher – bei etwa 50 Patienten pro Jahr. Auch deshalb sieht der Transplantationsbeauftragte seine Hauptaufgabe weiterhin darin, „aufzuklären, auch intern, am Klinikum“.
Organspendeausweise kann man unter www.organspende-info.de bestellen.
Ein Pro und Contra zur Entscheidung über die neuen Organspende-Regeln lesen Sie hier.
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